Am Freitag, den 27.1.2023, kam die von der DFG vor Kurzem bewilligte Forschungsgruppe zu ihrem Auftakttreffen im Senatssaal der Universität Münster zusammen.
An der Gruppe beteiligt sind Sprach- und Kommunikationswissenschaftler:innen der Universitäten Hamburg, Duisburg-Essen und Münster.
Das übergreifende Ziel des Verbundprojekts ist es, Personal-, Indefinit- und Demonstrativpronomen im Deutschen anhand authentischer Interaktionssituationen sowie historischer Texte unterschiedlicher Genres in ihrem Gebrauch zu untersuchen. Eine solche, empirisch fundierte Beschreibung authentischer Verwendungsweisen pronominaler Referenzformen mit handlungsbezogenem Fokus steht bislang noch aus. Auch über die Systematik der Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Pronomen im grammatischen Netzwerk des Deutschen ist noch wenig bekannt. Bisherige Beschreibungen zum Pronomengebrauch erfassen zudem die tatsächliche Komplexität von Pronomenverwendungen in ihrer Kontexteinbettung in mündlichen Interaktionen ebenso wie die historische Entwicklung solcher Verwendungsweisen nur randständig, wenn man etwa an nicht-kanonische und vage wir-, generische du-, Sie– bzw. ich-Gebrauchsweisen oder sprecherbezogene man-Verwendungen denkt.
In einem multiperspektivischen Forschungsprogramm sollen diese Desiderata aus gebrauchsbasierter und interaktionslinguistischer Perspektive sowie mit Blick auf Aspekte von Wandel und Grammatikalisierung bearbeitet werden.
Im Fokus stehen u.a. folgende Fragen:
- Welche Routinen und verfestigten Muster lassen sich diachron und synchron beschreiben und wie sind solche Routinisierungen zu erklären?
- Wie hängt der Pronomengebrauch mit der Medialität und Materialität sprachlichen Handelns zusammen?
- Inwieweit lassen sich Pronomen als Lösungsstrategien für unterschiedliche kommunikative Probleme beschreiben und inwieweit tragen sie zur Konzeptualisierung von Situationen bei?
- Welche Aspekte der Referenzherstellung in Bezug auf die Parameter der Generizität und Spezifizität, Definitheit und Indefinitheit, Exklusivität und Inklusivität sowie Agentivität und Nicht-Agentivität werden durch den Pronomengebrauch mitbestimmt?
Die sieben Teilprojekte der Forschungsgruppe, die auf der Basis unterschiedlicher Datenkorpora (medizinische Interaktionen, private Tischgespräche, WhatsApp-Chats, Videoaufzeichnungen von Notfallübungen, Zeitungsleserbriefe aus der ehemaligen DDR, historische Texte aus den Epochen des Althochdeutschen, Mittelhochdeutschen und Frühneuhochdeutschen) forschen, sind:
(1) Susanne Günthner/Wolfgang Imo (Münster/Hamburg): Praktiken der Personenreferenz: Der Gebrauch von Pronomina in onkologischen Aufklärungsgesprächen.
(2) Antje Dammel (Münster): Referenzielle Praxis im Wandel: Das Pronomen man in der Diachronie des Deutschen.
(3) Jens Lanwer (Münster): Pronomen als Konstruktionsnetzwerk: Gebrauchsbasierte Analysen von Verfahren der Personenreferenz in verbal-mündlicher Interaktion.
(4) Wolfgang Imo (Hamburg): Personenreferierende Pronomen in Dramen: interaktionale und dramaturgische Funktionen sowie historischer Wandel von Barock über Aufklärung zu Sturm und Drang und Klassik.
(5) Irina Mostovaia (Hamburg): Pronomen als Konstruktionsnetzwerk: Gebrauchsbasierte Analysen pronominaler Verfahren der Personenreferenz in verbal-schriftlicher Interaktion.
(6) Karola Pitsch (Duisburg-Essen): Multimodalität von Personenreferenz:
Pronominale Personenreferenz in Notfallübungen von Medizinern und Feuerwehr.
(7) Maximilian Krug (Duisburg-Essen): Pronominale Personenreferenz in DDR-Leserbriefen: Kommunikative Funktionen von Personal-, Indefinit- und Possessivpronomen zur Herstellung sozialer Gruppenkategorisierung in einem autoritären System.
Die Projektarbeit wird sich über den Zeitraum von Ende 2022 bis Ende 2026 erstrecken.