Auftaktreffen der neu geförderten Forschungsgruppe „Praktiken der Personenreferenz: Personal-, Indefinit- und Demonstrativpronomen im Gebrauch“ (Projektnummer 457855466)

Am Freitag, den 27.1.2023, kam die von der DFG vor Kurzem bewilligte Forschungs­gruppe zu ihrem Auftakttreffen im Senatssaal der Universität Münster zusammen.

An der Gruppe beteiligt sind Sprach- und Kommunikationswissenschaft­le­r:innen der Universitäten Hamburg, Duisburg-Essen und Münster.

Das über­greifende Ziel des Verbundprojekts ist es, Personal-, Indefinit- und Demon­strativ­pro­nomen im Deutschen anhand authentischer Interaktions­situationen sowie historischer Texte unterschiedlicher Genres in ihrem Gebrauch zu unter­suchen. Eine solche, empirisch fundierte Beschreibung authentischer Ver­wendungs­weisen pronominaler Referenzformen mit hand­lungsbezogenem Fokus steht bislang noch aus. Auch über die Systematik der Arbeitsteilung zwischen ver­schiedenen Pronomen im grammatischen Netzwerk des Deutschen ist noch wenig bekannt. Bisherige Beschreibungen zum Pro­nomen­ge­brauch erfassen zudem die tatsächliche Komplexität von Pronomen­ver­wendungen in ihrer Kontext­einbettung in mündlichen Interaktionen ebenso wie die historische Entwicklung solcher Verwendungsweisen nur randständig, wenn man etwa an nicht-kanonische und vage wir-, generische du-, Sie– bzw. ich-Gebrauchsweisen oder sprecherbezogene man-Verwendungen denkt.

In einem multiperspektivischen Forschungsprogramm sollen diese Desiderata aus gebrauchs­basierter und interaktionslinguistischer Perspektive sowie mit Blick auf Aspekte von Wandel und Grammatikalisierung bearbeitet werden.

Im Fokus stehen u.a. folgende Fragen:

  • Welche Routinen und verfestigten Muster lassen sich diachron und synchron beschreiben und wie sind solche Routinisierungen zu erklären?
  • Wie hängt der Pronomengebrauch mit der Medialität und Materialität sprachlichen Handelns zusammen?
  • Inwieweit lassen sich Pronomen als Lösungsstrategien für unterschiedliche kommunikative Probleme beschreiben und inwieweit tragen sie zur Konzeptualisierung von Situationen bei?
  • Welche Aspekte der Referenzherstellung in Bezug auf die Parameter der Generizität und Spezifizität, Definitheit und Indefinitheit, Exklusivität und Inklusivität sowie Agentivität und Nicht-Agentivität werden durch den Pronomengebrauch mitbestimmt?

 

Die sieben Teilprojekte der Forschungsgruppe, die auf der Basis unter­schiedlicher Datenkorpora (medizinische Interaktionen, pri­­va­te Tisch­gespräche, WhatsApp-Chats, Videoaufzeichnungen von Notfallübungen, Zeitungsleserbriefe aus der ehemaligen DDR, historische Texte aus den Epochen des Althochdeutschen, Mittelhochdeutschen und Frühneuhochdeutschen) forschen, sind:

(1) Susanne Günthner/Wolfgang Imo (Münster/Hamburg): Praktiken der Personenreferenz: Der Gebrauch von Pronomina in onkologischen Aufklärungsgesprächen.

(2) Antje Dammel (Münster): Referenzielle Praxis im Wandel: Das Pronomen man in der Diachronie des Deutschen.

(3) Jens Lanwer (Münster): Pronomen als Konstruktionsnetzwerk: Gebrauchsbasierte Analysen von Verfahren der Personenreferenz in verbal-mündlicher Interaktion.

(4) Wolfgang Imo (Hamburg): Personenreferierende Pronomen in Dramen: interaktionale und dramaturgische Funktionen sowie historischer Wandel von Barock über Aufklärung zu Sturm und Drang und Klassik.

(5) Irina Mostovaia (Hamburg): Pronomen als Konstruktionsnetzwerk: Gebrauchsbasierte Analysen pronominaler Verfahren der Personenreferenz in verbal-schriftlicher Interaktion.

(6) Karola Pitsch (Duisburg-Essen): Multimodalität von Personenreferenz:

Pronominale Personenreferenz in Notfallübungen von Medizinern und Feuerwehr.

(7) Maximilian Krug (Duisburg-Essen): Pronominale Personenreferenz in DDR-Leserbriefen: Kommunikative Funktionen von Personal-, Indefinit- und Possessivpronomen zur Herstellung sozialer Gruppenkategorisierung in einem autoritären System.

 

Die Projektarbeit wird sich über den Zeitraum von Ende 2022 bis Ende 2026 erstrecken.